Beispiel 2: Kneipensterben

Auch in der Gastronomie: Attraktivität lockt Arbeitskräfte

Eine gute Gaststätte ist mehr als ein Unternehmen, das Profit abwirft. Sie ist ein sozialer Ort, der Menschen an einen Tisch und miteinander ins Gespräch bringt. Im Idealfall wird eine Kneipe so zur Seele einer Gemeinde. Ganz sicher gilt dies für die »Aspe« in Espenhain südlich von Leipzig, die Peter Petters seit mehr als dreißig Jahren betreibt. Petters übernahm die leerstehende Wirtschaft noch kurz vor dem Ende der DDR, renovierte sie und konnte sie zwei Jahre später erwerben. Viele Sächsinnen und Sachsen kennen den Wirt aus der MDR-Dokumentarfilmreihe »Eine Chance für Espenhain«. Nur einem in jeder Hinsicht sozialen Mann wie Petters konnte es gelingen, einen Gasthof inmitten einer Gemeinde am Leben zu erhalten, die nach der Wende ihr bedeutendes Industriekombinat und mehr als die Hälfte ihrer Einwohner verlor. Petters ist gelernter Betriebsschlosser und arbeitete nach einem Studium für die Gewerkschaft in Leipzig. Zugleich widmete er sich leidenschaftlich der Kulturarbeit in seiner Heimat, unter anderem als Begründer eines Jugendklubs. In der »Aspe« bot Petters auch nach der Wende Platz für Vereine und Veranstaltungen.

Die Bedingungen für die Gastronomie, insbesondere im ländlichen Raum, werden immer schwieriger. »In den Orten ringsum haben fast alle Gaststätten aufgegeben«, berichtet Petters. »Es liegt sowohl an der Nachfrage als auch am Mangel an Fachkräften. Die Leute müssen wegen der Inflation aufs Geld schauen, aber es ist auch sehr schwierig, geeignetes Personal zu finden.« Während der Corona-Pandemie hat Petters eine Mitarbeiterin verloren, die in die Stadtverwaltung gewechselt ist. An jungen Leuten, die entstandene Lücken füllen könnten, mangelt es in Espenhain wie vielerorts in Sachsen. Außerdem hat auch die herrschende Teuerung die »Aspe« schwer getroffen: 2022 vervierfachte sich plötzlich die Gasrechnung, auch nach einem Anbieterwechsel und mit staatlicher Hilfe muss Petters immer noch doppelt so viel wie zuvor bezahlen. Wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen nicht ändern und die Landflucht anhält, dann wird das Kneipensterben sich fortsetzen, ist er sich sicher. Um Espenhain eine Perspektive zu geben, kämpft Petters derzeit dafür, den Ort wieder an den Personenbahnverkehr anzuschließen. So könnten Touristen die schöne Seenlandschaft der Umgebung besser erreichen und junge Familien aus Leipzig Espenhain als Wohnort für sich entdecken. Nichtstun ist für einen engagierten Mann wie Petters auch im Alter sichtlich keine Option. Trotzdem hat er, vor Kurzem achtzig Jahre alt geworden, beschlossen, sich von seinem Gasthof zu trennen. »Mir wird was fehlen«, sagt er, fügt aber augenzwinkernd hinzu: »Wenn du 80 bist, willst du wenigstens noch 25 Jahre deine Rente genießen.«

Nach längerer, mühevoller Suche hat er inzwischen einen Käufer gefunden. Petters Bedingung war: Die »Aspe« muss als Gasthof erhalten bleiben. Wird der neue Betreiber Erfolg haben? »Ich hoffe es!«, sagt Peter Petters. Und es ist zu spüren, wie sehr ihm die Menschen seines Heimatortes noch immer am Herzen liegen.